ARD Kontraste

Die Radikalisierung des Hans-Georg Maaßen

Der ehemalige Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen gerät zunehmend unter Druck: Kürzlich warf ihm der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung eine Relativierung des Holocaust vor, nun distanzierte sich sogar die CDU-Spitze von ihm. Generalsekretär Mario Czaja twitterte, dass Maaßen für die Partei zunehmend zur Belastung geworden sei. Er gebrauche immer wieder die „Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen“. Gegenüber Kontraste meldet sich auch der Präsident des Zentralrats der Juden in der Causa Maaßen zu Wort.

Nach Kontraste-Recherchen führte offenbar ein Aufstand in der Belegschaft dazu, dass sich der C.-H.-Beck-Verlag von seinem Autoren Maaßen trennen wollte. Ex-Verfassungsschutzchef und CDU-Mitglied Maaßen kam dem mit einer Kündigung zuvor.

Hans-Georg Maaßen hatte Mitte Januar seine Zusammenarbeit mit dem renommierten Münchner C.-H.-Beck-Verlag aufgekündigt – offenbar, um einem Rauswurf durch den Verlag zuvorzukommen. Recherchen des ARD-Politikmagazins Kontraste zeigen: Die Belegschaft hatte massiven Druck auf die Verlagsspitze ausgeübt, bis diese nach einigem Hin und Her schließlich bereit war, sich von dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten zu lösen.

Mitarbeiter fürchten um berufliche Zukunft

Kontraste liegt ein internes Schreiben vom 13. Januar vor, das Verlagsmitarbeitende an die Leitung ihres Hauses geschickt haben. Rund Hundert Personen setzten ihre Namen darunter. Sie alle fürchten in dem Brief um den Ruf des altehrwürdigen Verlages – und um ihre eigene berufliche Zukunft.

In dem Schreiben heißt es unter anderem: „Wir sind sehr besorgt – nicht nur um den Ruf des Hauses, sondern auch um unseren persönlichen Ruf. Es wird von Kolleginnen und Kollegen zum Teil angezweifelt, ob es für künftige Bewerbungen förderlich ist, wenn der Verlag C.-H.-Beck im Lebenslauf erwähnt wird.“ Und weiter: „Ist die Verlagsleitung weiterhin der Ansicht, dass die unseriösen rassistischen Äußerungen von Hans-Georg Maaßen in den Sozialen Medien rein privater Natur sind, wenn der Verlag dort explizit von ihm mit genannt wird?“

Der Verlag C.-H.-Beck ist bekannt für seine Fachbuch-Kompetenz auf den Gebieten Recht, Steuern und Wirtschaft. Unter anderem verlegt er Standardkommentare zum Grundgesetz. Der Jurist Maaßen war als Autor an diesen Kommentaren beteiligt.

Belegschaft forderte Verlagsleitung zum Handeln auf

Mehrere Medien hatten unlängst kritisch über die Zusammenarbeit des C.-H.-Beck-Verlages mit Maaßen berichtet, darunter auch der FAZ-Journalist Patrick Bahners. Gegenüber Kontraste erklärt er: „Diese Kommentare im C.-H.-Beck-Verlag haben einen gewissen symbolischen Wert. Da ist auch ein solcher Verlag nach seinem eigenen Selbstverständnis eine Institution, die auch an der Pflege der Verfassungskultur mitwirkt.“ Mit Maaßen wäre das nicht mehr so gut möglich gewesen, so Bahners.

Im hauseigenen Intranet verteidigte der Verlag am 9. Januar sein Festhalten an Maaßen: Als juristischer Fachverlag stehe man „für eine pluralistische und freie wissenschaftliche Diskussionskultur, solange sich diese im verfassungsrechtlichen Rahmen“ bewege. Der Verlag arbeite ausschließlich mit Autoren zusammen, die „auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen“.

In ihrem Schreiben bezeichnen die Mitarbeitenden diese Stellungnahme als „verharmlosende Aussagen der Verlagsleitung“ und fordern ein „klares Zeichen“. Es bestünde die „Gefahr, dass die Seriosität des Hauses“ infrage gestellt werde, „mit unabsehbaren Folgen für die Glaubwürdigkeit“ in juristischen Kreisen.

Distanzierung mit Verzögerung

Inzwischen äußert sich der Verlag anders. Zwar sei die Arbeit von Maaßen im Kommentar zum Grundgesetz fachlich nicht zu beanstanden. Allerdings distanziere man sich von „allen extremen politischen Äußerungen von Autoren, die die Grenzen des verfassungsrechtlich Vertretbaren antasten“, heißt es auf Anfrage. Deshalb habe man sich dazu entschlossen, sich von Maaßen zu trennen.

Hintergrund der zunehmenden Kritik an Maaßen sind dessen wiederholte Entgleisungen auf Twitter. Jüngster Stein des Anstoßes war sein Interview auf dem Internetblog des Autors Alexander Wallasch, in dem Maaßen einen angeblichen Rassismus gegen Weiße beklagt: „Dieses Denken ist Ausdruck einer grün-roten Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse.“

Berliner CDU-Generalsekretär fordert Parteiausschlussverfahren

Der Druck auf den CDU-Politiker Maaßen aus seiner Partei heraus nimmt unterdessen zu. Anfang der Woche hatte CDU-Generalsekretär Mario Czaja ihm einen Parteiaustritt nahegelegt, nun kommt auch scharfe Kritik vom Generalsekretär der Berliner CDU, Stefan Evers.

Nachdem Maaßen „inzwischen ja offen von Rassenlehre, von Rassismus in einer Art und Weise fabuliert, die nichts mehr, aber auch gar nichts mit dem Wesenskern einer CDU zu tun hat, halten wir es auch für angebracht, dass jetzt ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet wird“, so Evers zu Kontraste.

Zentralratspräsident Schuster begrüßt möglichen Ausschluss

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, begrüßt nun, dass sich die CDU endlich intensiv mit einem Ausschluss Maaßens aus der Partei zu befassen scheine. „Jemand, der sich derart in verschwörungsideologischen und antisemitischen Gefilden auch noch wohlzufühlen scheint, steht einer demokratischen Partei nicht gut zu Gesicht“, sagte Schuster zu Kontraste.

Maaßen scheue sich nicht davor, rassistische Überzeugen zu formulieren, sagt Doron Kiesel, Direktor der Jüdischen Akademie des Zentralrats der Juden. Wenn man seine Sprache untersuche, könne man „sehr wohl feststellen, dass das Vokabular, das er benutzt, eines ist, was eine sehr braune, sprich nationalsozialistische Tradition aufweist“, sagt Kiesel.

Maaßen: „An den Haaren herbeigezogen“

Gegenüber Kontraste will sich Maaßen nicht äußern – stattdessen sagte er am Mittwoch dem Lokalsender „TV Berlin“: „Vonseiten der CDU wird derzeit mir vorgeworfen, ich hätte mich nicht passend geäußert, ich hätte mich rassistisch geäußert, ich würde im Völkischen fischen. Ich hätte mich auch antisemitisch geäußert. Das sind Vorwürfe, die an den Haaren herbeigezogen sind. Und wo man auch sagen muss: Die CDU, wenn sie sich diese Vorwürfe aus dem linken Bereich zu eigen macht, ist sehr, sehr schlecht beraten.“

Der Berliner CDU-Generalsekretär Evers sagte zum Vorwurf, die CDU würde sich der Argumente der Linken bedienen: „Wenn ich die Vorwürfe so lese, die mir regelmäßig bei Twitter gemacht werden, dann bin ich offensichtlich linksgrünversifft“, so Evers. „Da ich aber von anderer politischer Seite regelmäßig das Gegenteil höre, bin ich offensichtlich in der politischen Mitte ganz gut aufgehoben.“

Cookies helfen bei der Bereitstellung der Inhalte. Durch die weitere Nutzung dieser Website stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Mehr erfahren