ARD Kontraste

Neue Vorwürfe gegen Influencer: Kliemann pfuschte bei Kunstauktionen

Fynn Kliemann versteigerte digitale Kunstwerke für mehr als 200.000 Euro. Aber weil er sich nach Kontraste-Recherchen nicht an seine eigenen Auktionsbedingungen hielt, könnten ihm Schadensersatzforderungen drohen.

Wenn er etwas wolle, müsse es sofort passieren, sagt Fynn Kliemann über sich. Er ist Influencer, Musiker, Unternehmer. Im Interview mit dem Branchenmagazin „t3n“ wirbt er im März 2021 für sein jüngstes Projekt. Kliemann will 99 digitale Kunstwerke verkaufen, kurze Musikstücke, die er mit seinem Produzenten aufgenommen hat. Diese sollen seine Fans über eine Auktionsplattform im Netz ersteigern.

Die Besonderheit: Kliemann bietet die Musikstücke als virtuelle Güter an, sogenannte Non-Fungible Tokens (NFTs). Käufer sollen in einer Kryptowährung bezahlen. Das klingt vor allem modern, Kliemann wird später in seinem eigenen Internetblog schreiben, er finde es cool, der erste zu sein, der Musik als NFT verkauft. Im Gespräch mit der Marketing-Website „OMR“ erzählt Kliemann damals, bei den Musikstücken handele es sich „faktisch um fertige Werbejingles“, die er anderswo für 1000 bis 50.000 Euro veräußern könne. Ihm ist offenbar klar: Es geht um viel Geld. Recherchen des ARD-Politikmagazins Kontraste zeigen jedoch, dass der Unternehmer bei den Versteigerungen alles andere als gewissenhaft vorging.

Beschwerde über „wild gewordene Reporter“

Die Auktionen liegen inzwischen mehr als ein Jahr zurück, Kliemann war kürzlich mit einem anderen Thema in den Medien. Das „ZDF Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann hatte Ungereimtheiten beim Verkauf von Masken aufgedeckt, für die Kliemann geworben hatte. Kliemann erklärte öffentlich, von diesen Ungereimtheiten nichts gewusst zu haben. Zuletzt beschwerte er sich am Sonntag in einem PR-Video auf Instagram über eine „woke, linke Szene“ und angeblich wild gewordene Reporter.

Ungereimtheiten gab es auch bei den NFT-Auktionen. Nach Kontraste-Berechnungen veräußerte er seine Kollektion mit dem Namen „JingleBe“ insgesamt für rund 215.000 Euro, umgerechnet nach damaligem Kurs der Kryptowährung. Fast ein Drittel dieser Summe kam deshalb zustande, weil er die zuvor von ihm selbst aufgestellten Auktionsbedingungen in vielen Fällen nicht einhielt.

Kliemann akzeptierte Gebote nach Fristende

Am Sonntag, den 7. März 2021, um 20 Uhr werde der jeweils Höchstbietende den Zuschlag erhalten – so lautete die Ausschreibung auf der „JingleBe“-Website, die Kliemanns Firma betreibt. Diese Website gibt es noch heute, die Bedingung aber wurde mittlerweile gelöscht.

Einer, der an jenem Sonntagabend eines der Musikstücke ersteigern will, ist der Informatiker Fabian K. Er stellt sich Kontraste als „Kryptoinvestor“ vor. Er habe in der Hoffnung für das digitale Kunstwerk geboten, dass dessen Wert durch Kliemanns Bekanntheit langfristig steigen wird.

Um 19.58 Uhr bietet Fabian K. umgerechnet 573 Euro für ein Musikstück, um Punkt 20 Uhr liegt er damit vorne. Eigentlich müsste der NFT jetzt ihm gehören. Aber dann gehen neue Gebote ein, der Preis steigt und steigt. Erst um 21 Uhr beendet Kliemann die Auktion für dieses Musikstück. Das Gebot, das er schlussendlich annimmt, ist mehr als doppelt so hoch wie das von Fabian K.

Der NFT-Markt ist ein Geschäft

Wie Fabian K. geht es an diesem Abend vielen weiteren Bietern. Für mindestens 84 NFTs bestätigt Kliemann Gebote, die erst nach 20 Uhr eingehen und über dem Höchstgebot von 20 Uhr liegen – also laut Kliemanns zuvor verkündeten Auktionsbedingungen überhaupt nicht hätten zugelassen werden dürfen. Vereinzelt akzeptiert er auch Gebote, die unter dem Höchstgebot von 20 Uhr liegen.

Berechnungen von Kontraste ergeben: Weil Kliemann Höchstgebote annahm, die nach der zuvor angekündigten Frist eingegangen waren, steigerte er den Umsatz um rund 68.000 Euro.

Der NFT-Markt mag sich auch an Kunstliebhaber richten, in erster Linie aber ist er ein Geschäft. „Mein erster Gedanke war: Ich wurde hereingelegt“, sagt Fabian K. heute. Kontraste liegen E-Mails vor, die er im März und April 2021 an Kliemann schrieb, und in denen er beklagte, zu Unrecht überboten worden zu sein.

Kliemann räumt Fehler ein

Auf die erste E-Mail antwortete Kliemann noch. „Es tut mir wirklich sehr leid. Du hast vollkommen recht.“ Mehrere Personen beschwerten sich auf Twitter. Dort verteidigte sich der Influencer, ihm sei die Uhrzeit einzelner Gebote gar nicht angezeigt worden. Belegbar ist jedoch, dass es durchaus Möglichkeiten gegeben hätte, die Uhrzeiten der Gebote seriös zu überprüfen, zum Beispiel über die Programmierschnittstelle der Auktionsplattform.

Dass bei der Ermittlung der Auktionsgewinner nicht alles glatt gegangen sei, deutete Kliemann damals in einem Blogbeitrag an, das Ausmaß blieb unerwähnt. Heute lässt er sein Vorgehen durch seinen Anwalt rechtfertigen. Dieser schreibt Kontraste, Kliemann habe mit der Auktion Neuland betreten.

Einige Gebote seien ungültig gewesen, als er sie bestätigen wollte. Vor allem aber habe Kliemann geglaubt, er könne sämtliche Auktionen um 20 Uhr auf einen Schlag beenden. Die Betreiber der Auktionsplattform hätten ihm auf Nachfrage jedoch mitgeteilt, Verkäufer müssten alle Höchstgebote einzeln und von Hand bestätigen. Kliemanns Anwalt betont, Kliemann habe mit diesem Problem im Vorfeld nicht gerechnet. Kliemann klickte sich an jenem Sonntagabend also durch Auktion nach Auktion und machte offenbar Fehler um Fehler.

Anspruch auf den NFT oder Schadensersatz

Kontraste hat mit mehreren Juristen, die sich auf NFTs spezialisiert haben, über den Fall gesprochen. „Wenn die Auktion entsprechend angekündigt wurde, hat derjenige, der um 20 Uhr Höchstbietender war, einen zivilrechtlichen Anspruch darauf, den NFT zu bekommen“, sagt Katharina Garbers-von Boehm von der Kanzlei Büsing Müffelmann & Theye.

Dafür ist es nun zu spät, einige Musikstücke wurden inzwischen für noch mehr Geld weiterverkauft. Nach Einschätzung von Pascal Decker, Partner der Kanzlei dtb, hätten die Geprellten ein Anrecht auf Schadensersatz, abhängig vom Marktwert der NFTs. Kliemanns Ausreden lässt Decker nicht gelten. „Es ist egal, ob man sich danach für etwas entschuldigt, was man davor angeblich nicht besser wusste, wenn man es leichterdings hätte wissen können: Die Haftung bleibt bestehen.“

Die Betroffenen müssten allerdings selbst gegen Kliemann vorgehen. Fabian K. entschied sich damals dagegen, einen Anwalt einzuschalten. Stattdessen schlug er Kliemann per E-Mail vor, dieser solle die durch die Fehler entstandenen Mehreinnahmen wieder abgeben, sie zum Beispiel an eine gemeinnützige Organisation spenden. Aber darauf antwortete der Unternehmer nicht mehr.

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